In Woche 7 war ich live bei der LCS in Berlin. Wahrscheinlich war das der spannendste und historischste Spieltag der europäischen LCS: El Classico - SK gegen Fnatic!
So spannend wie angekündigt war es dann letzten Endes doch nicht, aber ich habe mich sehr erfreut das alte Spiel der beiden Teams von der IEM in Katowice erneut anzusehen.
Schauen wir uns zuerst "Dramaturgie" an:
Es gibt viele verschiedene Arten von Dramaturgie. Da League of Legends allerdings als Videospiel eher ein visuelles Medium, als ein narratives Medium ist, werde ich dieses Spiel mit Film- und Theaterdramaturgischen Gedanken betrachten.
Als erste können wir uns da die 3-Akt-Struktur anschauen, die von Aristoteles erstmals entwickelt wurde.
Der erste Akt ist bei League of Legends Spielen eher zu vernachlässigen, da der Konflikt immer darin besteht zu gewinnen. Und auch Plot Points werden wir selten finden. Wenn man allerdings ein bisschen rumliest wird man auch als neuer Spieler schnell zu verstehen bekommen, dass es in League of Legends verschiedene Spielphasen gibt: Earlygame, Midgame, Lategame.
Das Earlygame, bei denen die Lanes versuchen sich in einem 1 gegen 1, oder 2 gegen 2 zu behaken und möglichst viel zu farmen und im besten Fall den Gegner zu erledigen läuft bei dem "Classico" allerdings schon etwas anders ab: Wir sehen einen sogenannten Laneswap, bei dem such auf den äußersten Lanes jeweils 1 Spieler gegen 2 messen muss.
Versuchen wir zu definieren, was unsere Plot Points sind, kann man sich auch fragen: Wie gewinne ich das Spiel? Geldvorteil, Objektvorteil, Killvorteil... usw.
Ein Gank könnte dieses anfängliche Gleichgewicht ändern.
5:36 fällt der erste Turm und der Goldvorteil geht an SK. So könnte man das ganze Spiel über schauen, welche Vorteile an wen übergehen.
Zieht man hier noch ein weiteres Standardwerk der Dramaturgie hinzu ("Story" von Robert McKee) könnte man nach den sogenannten Klüften suchen. McKee stellt die These auf, dass der Protagonist (in unserem Fall der Spieler) vor Probleme gestellt werden, die er durch seine Entscheidungen lösen muss. Dabei werden die Probleme mit der Zeit immer schwerer zu lösen. Dadurch entsteht innerhalb der Akte ein Anstieg der Spannung. Die Kluft in der Kluft (entschuldigt mir das plumpe Wortspiel) besteht immer darin, wenn man mit einem Gegner interagiert. Der Spieler muss also zwingend durchgehend Entscheidungen treffen, die den Verlauf/Dramaturgie verändert. Ein Gank ist also ein Hindernis, was der Spieler meistern muss. Entweder er entscheidet sich richtig und holt eine Doppeltötung, einen einzelnen Kill, stirbt dabei selber, oder er stirbt und holt keinen Kill. Auf der Mikro-Eben sind Faktoren wie Beschwörerzauber, Fähigkeiten und Platzierung ebenso wichtig, wie die Makro-Ereignisse wie Tod oder Tötung.
Dass SK den Tower bekommt, zusätzlich Kha'Zix aus der Lane vertreibt, zwar mit Aufwand von Beschwörerzaubern, Rammus noch auf die Botlane zieht und keinen Kill abgibt, ermöglicht also Olaf den Turm auf der Toplane weiterhin zu halten und sich globale Vorteile zu sichern.
Mittlerweile ist das LCS Spiel jedoch so, dass wenig Fehler gemacht werden und die Klüfte auf beiden Seiten meistens überstanden werden. 7:29 wird das Firstblood an Cho'Gath gegeben. Damit nimmt das Spiel Fahrt auf. SK kann nämlich ihre Vorteile ausbauen.
Auch so könnte man das Spiel immer weiter analysieren, was für mich allerdings (wahrscheinlich auch für euch) zu langweilig ist.
Kurzer Diskurs über Inszenierung und die Befreiung der Adaptivität
In die Dramaturgie kommen allerdings noch weitere Faktoren. Das Setting zum Beispiel, das Hintergrundwissen, die Protagonisten und Antagonisten.
Ein Spiel zu schauen ist etwas anderes als ein Spiel zu spielen. Die Dramaturgie ist etwas anders; das Spiel wird uns als Inszenierung gezeigt und wir haben keinen Einfluss. Wir verlieren den eigentlichen Inhalt des Spiels: Die Adaptivität!
Unsere Empfindungen werden dahingehend nur geeint, weil wir wissen wie es ist, genau dieses Spiel zu spielen. Wir überlegen uns, was wir tun würden, wie unsere Entscheidungen sind und wir können Bewundern, oder Verachten. Und so werden wir letzten Endes doch wieder zum Protagonisten des Spiels: Wir spielen das Spiel als Beobachter mit.
Back to Game
Zwischendurch kommt noch eine Pause.
Die Pause in League of Legends ist ein wichtiges Mittel für Proplayer. Sie können in der Zeit Fehler mit der Hardware reparieren (lassen). Sprechen ist verboten, sodass keine taktischen Absprachen getätigt werden können.
Aber auch für den Zuschauer bietet dieses Mittel einen stilistischen Aspekt: Die Gedanken der Zuschauer können sich weiterentwickeln, es wird geredet, besprochen, was wird passieren, wie, wo, wann. Was würde Ich tun?
Nach der 40 Minute fängt sich das Blatt langsam an zu drehen. Auf jeder Seite ist ein Inhibitor-Turm gefallen. Der Goldvorteil von SK ist immernoch bei 5k allerdings in angesichts der Goldbeträge nicht mehr allzu gravierend.
Man kann davon ausgehen, dass ab diesem Punkt die beiden Teams ausgeglichen sind. Es ist ein hin und her, was sich über die letzten 10 Minuten abspielt. Die Caster haben allerhand zu kommentieren und die Spannung, die von einem klaren Sieg am Anfang in ein ausgeglichenes, sehr knappes Spiel am Ende ausgeht ist immens. Viele Spieler haben ihre Itemslots bereits (fast) voll und von da an ist es der eine kleine Fehler, der ein Spiel entscheiden kann.
Minute 55.
Ja man könnte sagen, die Ereignisse überschlagen sich. SK verliert beide Türme vor dem Nexus, alle Mitglieder von Fnatic müssen flüchten. SK setzt zum finalen Push an. Doch... man gibt deswegen die Verfolgung und Tötung von xPeke auf. Er überlebt. Er teleportiert. Er attackiert den Nexus. Olaf versucht ihn aufzuhalten. Er benutzt seine Ulti, springt auf die andere Seite des Nexus, er flasht, die Reise nach Jerusalem beginnt. Das Leben des Nexus sinkt. Alles wird versucht xPeke aufzuhalten. Vergebens.Fnatic gewinnt das Spiel, was eigentlich schon verloren war. SK war nicht in der Lage zu gewinnen.
Dieses Spiel ist in die Geschichte der League of Legends Turniere eingegangen. Ein historischer Moment, den die Caster sofort erkennen.
Gerne hätte ich so etwas auch am Donnerstag gesehen. Leider war es mir vergönnt.
Der Anführer eines großen Heeres kann besiegt werden; aber den festen Entschluss eines Einzigen kannst du nicht wankend machen.
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